Spielzeugsicherheit: Exkurs Stoff Zertifkate und Textil-Labels

24 Mai
2013
Spielzeugsicherheit: Exkurs Stoff Zertifikate - Artikelbild

Es gibt unendlich viele tolle Stoffe auf der Welt. Aber beim Herstellen von Spielzeug oder Babyartikeln spielt das Aussehen nicht die Hauptrolle, denn die verwendeten Materialien sollen vor allem eins sein: gesundheitlich unbedenklich. Aber bei all dem “Öko” und “Bio” durchzusehen ist gar nicht so leicht. Deshalb gibt es heute mal einen kleinen Überblick über Stoff Zertifikate und andere Prüfsiegel.

Wer meine Beitragsreihe Spielzeugsicherheit bisher mitverfolgt hat, weiß: Als Hersteller von Spielzeug muss man Kenntnisse über Gestaltung, Herstellung und die komplette Materialzusammensetzung des Spielzeugs haben, um die Anforderungen der Spielzeugrichtlinie zu erfüllen. Während das für Gestaltung und Herstellung noch relativ gut machbar ist, wird es bei der Materialzusammensetzung meist schwieriger.

Nehmen wir das Beispiel eines selbst genähten Stofftiers. In diesem Falle benötigt man für jeden einzelnen verwendeten Stoff, das vernähte Garn und die Füllwatte die chemische Zusammensetzung. Diese kann man entweder in einem Labor prüfen lassen oder sich aber ein Sicherheitsdatenblatt des Material-Lieferanten besorgen, in dem die Angaben zur chemischen Zusammensetzung schon drin stehen. Die Werte müssen dann mit den Grenzwerten aus den geltenden Richtlinien und Normen verglichen werden. Überschreiten sie die Grenzwerte, so kann das Spielzeug nicht als sicher eingestuft werden.

Das klingt so oder so nach sehr viel Arbeit, und das ist es auch. Um diesen Prozess abzukürzen, kann man Stoffe mit bestimmten Zertifikaten verwenden. Aber Achtung: Dies bedeutet nicht automatisch, dass diese Stoffe dann auch die Anforderungen der Richtlinie erfüllen, denn hier sind nur die Grenzwerte und Anforderungen des EU-Dokuments entscheidend. Um es schon mal kurz vorweg zu nehmen: Wenn ihr GOTS-zertifizierte Materialen verwendet, seid ihr in der Regel auf der sicheren Seite. Aber auch wenn ihr kein Spielzeug (gewerblich) herstellt, könnten schadstoffgeprüfte Materialien für euch wichtig sein. Von daher habe ich hier mal eine kleine Liste mit Stoff Zertifikaten gemacht, die euch in dem ein oder anderen Shop begegnen könnten.

Stoff Zertifkate und Textil-Labels

1. Oeko-Tex Standard 100

Spielzeugsicherheit: Exkurs Stoff Zertifikate - Oeko-Tex

“Der Oeko-Tex-Standard ist ein unabhängiges Prüf- und Zertifizierungssystem für textile Produkte aller Verarbeitungsstufen (Fasern, Garne, Gewebe, konfektionierte Endprodukte, inklusive Zubehör) entlang der textilen Wertschöpfungskette.”

Der Oeko-Tex Standard 100 beinhaltet das  Label “Textiles Vertrauen” und bezeichnet schadstoffgeprüfte Textilien. Das heißt, Materialien mit diesem Stoff-Zertifikat werden vom  Oeko-Tex Institute als gesundheitlich unbedenklich eingestuft. Außerdem gibt es noch folgende Zertifzierungen von Oeko-Tex:

  • Oeko-Tex-Standard 1000: Zertifizierung von umweltfreundlichen Betriebsstätten
  • Oeko-Tex-Standard 100plus: schadstoffgeprüfte Produkte aus umweltfreundlicher Produktion

www.oeko-tex.com
Quelle: Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Oeko-Tex

 

2. Global Organic Textile Standard (GOTS)

kullaloo_spielzeugsicherheit_stoff_zertifikate_gots

“Global Organic Textile Standard ist ein Textilsiegel, das seit 2008 ein einheitliches Zertifizierungsverfahren in der Herstellung von Ökomode liefert. Das Siegel möchte einen weltweiten, kontrollierbaren, sozialen und ökologischen Standard schaffen, der die gesamte Produktionskette von Naturmode nachvollziehbar macht.”

Materialien nach GOTS  müssen zu 90% aus Naturfasern hergestellt sein, wovon 70% aus kontrolliert biologischem Anbau (kbA) oder kontrolliert biologischer Tierhaltung (kbT) stammen müssen. Produkte mit dem GOTS-Siegel sind damit:

  • gesundheitlich unbedenklich, da beispielsweise auch bestimmte bedenklich Farbstoffe zum Färben und Bedrucken verboten sind
  • umweltfreundlich, da beispielweise bei der Herstellung auf Energie- und Wasserverbrauch geachtet werden muss
  • sozial nachhaltig, da beispielsweise Kinderarbeit, Misshandlung oder Diskriminierung und Zwangsarbeit nicht erlaubt sind

www.global-standard.org
Quelle: Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Global_Organic_Textile_Standard

 

3. Kontrolliert biologischer Anbau (kbA)

Spielzeugsicherheit: Exkurs Stoff Zertifikate - kbA

“Kontrolliert biologischer Anbau (kbA) erfolgt gemäß den Richtlinien für ökologischen Landbau. Der Einsatz von chemischen Pestiziden (Insektiziden, Herbiziden etc.), Dünge- und Entlaubungsmitteln sowie von gentechnisch-verändertem Saatgut ist verboten. ”

Ein Baumwollstoff mit kbA-Sieggel besteht also aus Baumwolle,  die beispielsweise ohne Verwendung von synthetischen Pestiziden angebaut wird. Chemisches Bleichen ist ebenfalls nicht erlaubt, weshalb es auch keinen schneeweißen kbA-Stoff gib (eher milchig).

www.ifoam.org
Quellen: http://www.siebenblau.de/Wissenswertes-rund-um-kbA-und-fairtrade-Baumwolle/Textil-Label-und-Zertifikate, http://www.kbastoff.com/

 

4. Organic Exchange Standard (OE 100 und OE Blended)

Spielzeugsicherheit: Exkurs Stoff Zertifikate - OE Standard

“Allgemeine Kriterien für die OE Standards:

  • Verwendung von zertifizierter Bio-Baumwolle
  • Klare Kennzeichnung der Baumwolle während des kompletten Produktionsprozesses
  • Separate Lagerung der Baumwolle
  • Dokumentation aller Produktionsprozesse
  • Überprüfung der gesamten Produktion durch unabhängige Zertifizierungsorganisation”

Beim OE 100 Standard werden 100% zertifizierte organische Baumwollfasern für Textilwaren verwendet. „Blended“ hingegen bedeutet, dass für die Produktion eine Mischung aus organisch angebauter und konventioneller Baumwolle benutzt wird (Mindestanteil organische angebaute Baumwolle: 5%).

www.textileexchange.org/content/oe-standards
Quelle: http://fair-zieht-an.synagieren.de/zertifikate/organic-exchange/

 

5. REACH

Spielzeugsicherheit: Exkurs Stoff Zertifikate - REACH

“Die Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-Verordnung) ist eine EU-Chemikalienverordnung, die am 1. Juni 2007 in Kraft getreten ist. REACH steht für Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals, also für die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien.”

Das heißt, dass alle Hersteller, Importeure und nachgeschalteten Anwender sicherstellen müssen, dass ihrehergestellten und in Verkehr gebrachten Chemikalien sicher verwendet werden. Sie müssen diese registrieren und ausgewählte Stoffe werden dann von den Behörden bewertet und ggf. einer Regelung zugeführt. Besonders besorgniserregende Stoffe kommen in das Zulassungsverfahren.

www.reach-info.de
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Verordnung_%28EG%29_Nr._1907/2006_%28REACH%29

 

So viel also zu den Zertifikaten und Textil-Labels, die euch unterkommen können. Ich habe nun noch speziell für die unter euch, die selber Spielzeug herstellen, ein paar wichtige Infos zu den Zertifikaten bezüglich ihrer Eignung für euer Spielzeug.

Zertifizierte Stoffe für die Spielzeugherstellung

Wie bereits in meiner Einleitung erwähnt solltet ihr beachten, dass nicht jeder Bio- oder Öko-Tex-zertifizierte Stoff alle Anforderungen der EN 71-3 abdeckt, denn es gibt hier Unterschiede bei den Analyseverfahren und den getesteten chemischen Stoffen.

Bei der Prüfung nach EN 71-3 werden eure eingereichten Stoffe im Labor mit einer Säure in Kontakt gebracht, welche die menschliche Magensäure imitiert. Dann werden die Ausscheidungen der untersuchten Elemente (aktuell sind dies nach der EN 71-3 die folgenden acht:  Antimon, Arsen, Barium, Cadmium, Chrom, Blei, Quecksilber, Selen, die Liste wird aber im Juli um weitere Elemente erweitert!) aus euren den Stoffen ermittelt und mit den aufgestellten Grenzwerten abgeglichen. Die Grenzwerte wurden natürlich für dieses  spezifische Analyseverfahren festgelegt.

Im Gegensatz zu dem EN 71-3 Prüfverfahren werden beispielsweise bei der Öko-Tex-Prüfung zwar um die 100 chemische Stoffe untersucht, es fehlen hier zwei der für die EN 71-3-Konformität notwendigen Stoffe ( Barium & Selen). Außerdem unterscheidet sich auch das Testverfahren an sich, denn beim Öko-Tex-Prüfverfahren werden die Stoffe in Speichelflüssigkeit und nicht in Magensäureimitat analysiert.

Bei als GOTS-zertifiziert gekennzeichneten  Stoffen habe ich schon von dem Problem gehört, dass es wohl vereinzelt Stoffe gibt, die zwar – was den Basisstoff betrifft – nach GOTS-Anforderungen hergestellt wurden, jedoch beim anschließenden Färben der Stoffe nach der Richtlinie nicht erlaubte Chemikalien in den Stoff gelangt sind. Ansonsten sind GOTS-Stoffe aber sehr zu empfehlen, denn sie sind in der Regel auch frei von problematischen Weichmachern, die in den Anforderungen der EN 71-3 nicht enthalten sind.

Seid euch also dessen bewusst, dass selbst wenn ihr Öko-Tex- oder GOTS-zertifizierte Stoffe für euer Spielzeug verwendet und ihr für diese auch Zertifikate vorliegen habt, es im Einzelfall dennoch sein kann, dass eure Stoffe nicht die EN 71-3 Anforderungen erfüllen. Auch, wenn nach allem was ich an Informationen finden konnte, es wohl sehr unwahrscheinlich ist, dass ihr mit verwendeten Öko-Tex-Stoffen diese Anforderungen nicht erfüllt und erst recht mit GOTS-Stoffen…

Trotzdem: Auf Nummer sicher, was die Erfüllung der Spielzeugsicherheitsrichtlinie angeht, seid ihr, wenn eure Stoffe EN 71-3-konform sind (Hilco hat beispielsweise solche Stoffe). Und am aller aller besten wäre es in einer Traumwelt: Eure Stoffe für euer Spielzeug erfüllen die EN-71-3 UND sind darüber hinaus noch GOTS-zertifiziert.

______

In den nächsten Wochen werde ich euch einige Hersteller und Lieferanten von zertifizierten Stoffen vorstellen, vielleicht ist ja etwas für euch dabei 🙂

17

17 Kommentare

Kommentar schreiben
  1. Anja

    Liebe Juliane,

    eine super tolle Reihe. Ein Thema, was mich derzeit brennend interessiert! Vielen, vielen Dank für Deine super zusammen gestellten Infos. Besonders, was die Zertifikate anbetrifft, habe ich noch eine Menge offener Fragen. Wenn man also keine GOTS-Stoffe hat, muss man doch praktisch fast zum Chemiker werden, um diese ganzen Grenzwerte zu überprüfen und vergleichen, oder!? Und wenn ich ein Kuscheltier nähen will, frage ich dann bei den Herstellern bzw. Händlern einfach dieses Sicherheitsdatenblatt ab und bekomme das dann auch? Und/oder muss ich extra die Spielzeugeignung anfragen? Wahrscheinlich wissen viele per se noch nicht mal etwas damit anzufangen. Letztendlich ist für mich der wichtigste Punkt: Welche Unterlagen muss ich zu Hause haben, um auf der sicheren Seite zu sein? Fragen über Fragen!

    Ich freue mich schon sehr auf Deinen nächsten Post!

    PS: Ich bin übrigens seit kurzem auch Mitglied im Verein “Wir machen Spielzeug”, aber habe mich noch nicht durch alles durch gelesen. Ich entschuldige mich also schon einmal dafür, falls die eine oder andere Frage blöd ist 😉

  2. Juliane Artikelautor

    Liebe Anja,

    du kannst die Sicherheitsdatenblätter anfragen. Manchmal bekommst du sie vom Hersteller, andere machen dicht. Das ist ja das Problem, dass man gar nicht so leicht an die Infos kommt. Und dann musst du die Werte noch selber mit den Grenzwerten abgleichen. Wirklich nicht so einfach. Selber zum Chemiker werden ist auch ne Option, aber auch eher schwieriger 😀

    Der Verein ist echt die beste Adresse, wenn du fachkundige Hilfe benötigst. Selbst wir lassen uns dort beraten, obwohl wir all diese Infos recherchiert und grob durchblickt haben. Aber bei der ersten CE-Kennzeichnung lassen wir uns helfen. Außerdem gibt es ja auch einen Vereins-Shop, wo alle Mitglieder geeignetes Material kaufen können (z.B. GOTS zertifiziertes Garn). Also, da kannst du dich auf jedenfall nochmal schlau machen (lassen) 🙂

    Liebe Grüße und schönen Abend,
    Juliane

    1. Kathi

      Hallo Juliane,

      heißt das denn, dass man nicht für jedes einzelne verwendete Material zwingend das EN 71-3-Zertifikat bereithalten muss, sondern auch “darauf hoffen” darf, dass man auch mit z. B. “nur” GOTS-zertifizierten Garnen die EN-71-3-Vorgaben einhält? Oder braucht man tatsächlich für jedes Material explizit das EN 71-3-Prüfblatt? Mittlerweile gibt es ja zum Glück einige getestete Stoffe, aber bei anderen Materialen finde ich es immer noch sehr schwierig… :/

      Auch von mir nochmal danke für deine ganze Mühe hier alles so verständlich zu erklären!!

      Liebe Grüße

      Kathi

    2. Roswitha Jaworek

      Hallo liebe Juliane herzlichen Dank für deinen ausführlichen Bericht. Ich bin auf der Suche nach einem Fleec Stoff für Puppenkleidung und hab bisher noch nichts gefunden mit den Zertifikaten EN 71-3 und ökotex Standart 100. Weißt du evtl einen Lieferanten? LG Rosi

  3. Marion

    Finde ich echt super, dass du dich mit diesem Thema beschäftigst. Leider gibt es im Babymarkt sehr viele Utensilien und Gebrauchsgegenstände, die alles andere als giftstoffarm sind!! Echt traurig. Danke für diese Info. Gruß Marion

  4. Anja

    Danke für Deine ausführliche Antwort, liebe Juliane!

    Da bin ich mal gespannt, ob und wie oft ich Aussagen von den Herstellern und/oder Händlern bekomme …

    Liebe Grüße,
    Anja

  5. Anna

    Hallo,

    ich habe mal eine Frage, hat einer eine Baumwolle entdeckt die der DIN EN 71-3 entspricht?

    Die Wolle von Lana Grossa entspricht dieser Norm leider nicht.

    1. Nicki

      Hallo,
      Falls noch nicht beantwortet.
      Schachenmayr Catania hat die Spielzeug Eignung und ist en 71 geprüft.
      Viele Grüße

    2. kullaloo

      Die Catania ist sehr dünn, ich habe die auch probiert. Wir nehmen demnächst noch die Austermann Fey auf, die ist schön dick und hat GOTS 🙂
      Liebe Grüße, Juliane

  6. Le carlotte

    Ciao, ich nähe stoffbücher für kinder (auch 6-36 monate).
    Die meisten stoffproduzenten, die ich gefunden habe (mit En71 Zertifikat) verkaufen erst ab einer gewissen Menge. Um genau zu sein ab 6 metern. Das ist etwas viel.Kannst du mir einen tipp geben an welchen Händler ich mich wenden kann, um getingere Meterware zu kaufen?
    Grüsse Daniele

  7. Monika

    Guten Abend zusammen, meine Frage darf man auf fertig gekaufte Plüschtiere Flockfolie , personalisiert anbringen ?
    Also Beispiel ein Teddybär mit Wunschname drauf ?

    1. Juliane Artikelautor

      Da bin ich leider überfragt was das rechtliche angeht. Ich habe so etwas aber schon im Web gesehen. Nur ob man das auch darf, da kann ich leider nicht weiterhelfen… tut mir leid 🙁

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert